Montag, 20. August 2012
Ein perfektes Wochenende
Für den Fall, dass ich das in meinem letzten Beitrag nicht ausreichend betont haben sollte: Meine Gastfamilie ist einfach nur toll, und ich denke, dass ich mit ihr ein wahnsinniges Glück gehabt habe. Meine Gastschwester hat mir sogar schon ein offizielles Verschwesterungsangebot auf Facebook unterbreitet :) (Das ich selbstverständlich angenommen habe). Jetzt heißt es, die nächsten drei Wochen in Sofia so gut wie möglich zu nutzen, viel miteinander zu unternehmen und natürlich, die Zeit zu genießen.
Am Wochenende (Bulgarisch: уикенд, also uiikend, also weekend) sind wir mit dem Auto auf ein kleines Dorf gefahren, wo meine Gastfamilie früher gewohnt hat und die Tante meiner (Gast)schwester noch immer lebt. Der Plan war, um 10 Uhr morgens loszufahren, weswegen der Tag dann auch schon um 11 Uhr mit dem Aufstehen begann (zumindest, was mich und meine Schwester anging). Beim Packen wurde ich dann gewarnt, es würde abends sehr, sehr kalt werden, ich solle also bloß warme Klamotten einstecken, was ich dann auch ausgiebig tat, gemessen an der deutschen Bedeutung von kalt, die sich wiederum an den sibirischen Temperaturverhältnissen orientiert, die derzeit in unseren nördlichen Landstrichen herrschen. Jedenfalls befanden sich anschließend in meinem Gepäck Wechselklamotten für Sonntag, mein Waschzeug, mein Schulzeug (Bulgarischlehrbuch und -heft), ein Pullover (sowas holt man hier erst im Oktober oder November raus, habe ich den Eindruck), eine Jacke und ein Schal. Als ich dann anschließend aus dem Zimmer kam, um zu verkünden, dass ich fertig sei, wurde ich mit großem Gelächter empfangen, ob ich nicht zwei Tage ohne meinen Kleiderschrank auskommen würde. Anschließend sind wir auf der angeblich so löchrigen und mikrigen bulgarischen Autobahn gefahren, die sich jedoch meiner Meinung in nichts von einer deutschen unterscheidet, abgesehen davon, dass wir durch ein wunderschönes Bergpanorama gefahren sind, da es Richtung Norden durch das "Stara Planina"-Gebirge ging. Zwischendurch haben wir im Troyanski-Kloster hat gemacht, das dafür berühmt ist, Vassil Levski, einen der vielen wichtigen und im ganzen Land bekannten Helden, beherbergt zu haben, als dieser sich als Revolutionär und bulgarischer Freiheitskämpfer dort in einem (nun zur Sehenswürdigkeit erhobenen) Schrank versteckt hielt. Außerdem gibt es in dem Kloster wunderschöne Malereien von einem bulgarischen Meister, dessen Namen ich zu meiner Schande noch nie gehört hatte.
Auf der Weiterfahrt kamen wir nach Lovetsch, von wo aus uns eine riesige Statue des Vassil Levski von Weitem entgegenblickte. In einem kleinen Museum war der "Git", der Guide, so begeistert, dass eine deutsche "goct" unter seinen Zuhörern weilte, dass er den ganzen Vortrag lang englische und deutsche Wörter in den Vortrag einfließen ließ (die ich jedoch derart aus dem Kontext gerissen auch nicht verstehen konnte) und mir während des Vortrages eine deutsche Enzyklopädie aus dem Jahre 1901 sowie einige Vasen und Bierkrüge mit deutschen Aufdrucken in die Hand drückte, die ich vorlesen sollte (?). Am Ende habe ich von ihm ein englisches Buch mit dem Titel "Vasil Levski - the apostle of the Bulgarian Freedom" geschenkt bekommen, das ich auch lesen werde, um bei diesem wohl wichtigsten bulgarischen Thema mitreden zu können.
Abends sind wir dann im Dorf angekommen und wurden sehr überschwänglich von allen - der Tante, dem Cousin samt Frau und der Nachbarin mit ihrem Sohn - begrüßt, gedrückt, auf beide Wangen geküsst und dann durfte ich meinen bulgarischen Vorstellungssatz zum Besten geben "As sam Tabea, obmenata utschenitschka". Wir saßen am Abend (bei sommerlichen Temperaturen von über 20°C) noch lange draußen, haben geredet (bzw. ich habe versucht, zu verstehen), gesungen (ich kenne ganze zwei Bulgarische Lieder!) und Schach gespielt (ich habe zu meiner SChmach gegen einen 12-jährigen Jungen verloren).
Am nächsten morgen ging es dann weiter durch ganz Bulgarien auf eine Sightseeingtour, die sich gewaschen hatte. Wir haben eine Wanderung zu Wasserfällen

und Höhlen gemacht, eine Tropfsteinhöhle gesehen und eine Straußenfarm besichtigt, bevor wir schließlich gegen 9 Uhr zurück nach Sofia gekommen sind.
Zuguterletzt noch eine Hommage an die bulgarische Küche: zuerst einmal ist alles furchtbar lecker, zu jedem Essen gibt es einen Salat, der zeitgleich zum Hauptgericht verspeist wird und zu allem gibt es Sirene, einen salzigen und sehr leckeren Schafskäse. Am faszinierendsten ist jedoch für mich der Knoblauch. Das Klischee des osteuropäischen Mütterchens mit einer Knoblauchkette um den Hals, das mir tatsächlich in meiner Vorbereitung auf das Austauschjahr mehrmals erläutert wurde, mag etwas fragwürdig sein, dennoch ist es wahr: in fast jedem Haushalt scheint hier ein riesiger Beutel voll Knoblauchzehen zu lagern. Gestern habe ich zusammen mit meinem Knoblauchliebenden Gastvater eine ganze davon plattgemacht. Wundervoll!

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